Gehirnaktivität und Ermüdung
Ermüdung ist die vorübergehende Einschränkung der Leistungsfähigkeit, hervorgerufen durch körperliche und geistige Belastungen. |
Man unterscheidet zwei Arten von Ermüdung:
a) periphere Ermüdung: die Ermüdung des Muskels aufgrund mangelnder Energiebereitstellung;
b) zentrale Ermüdung: die Ermüdung des Nervensystems aufgrund veränderter Transmittersubstanzen.
Beide Formen der Ermüdung sind schwer voneinander trennbar, da sie je nach Beanspruchungssituation lokal und/oder allgemein auftreten können (27).
Es ist z.B. nicht ausgeschlossen, dass eine muskuläre periphere Ermüdung (Ansammlung von Metaboliten etc.) indirekt über Veränderung der sensorischen Afferenzen im Gehirn einen Mechanismus in Gang setzen kann, der eine zentrale Ermüdung hervorruft.
Die folgende Abbildung zeigt die Gehirnaktivität kurz vor einem Pedalntritt auf einem Fahrradergometer
a) im Zustand der Erschöpfung von Herz-Kreislauf und der lokalen Beinmuskulatur,
b) in einem Zustand der Erschöpfung von Herz-Kreislauf und der nichtbeanspruchten Beinmuskulatur.
Zentrale Ermüdung
Die zentrale Ermüdung, hervorgerufen durch körperliche und geistige Belastungen, bringt durch Veränderung des Neurotransmittergleichgewichts eine vorübergehende Leistungseinschränkung mit sich. Diese zeigt sich in nachlassender Kraft, Koordination, Lust, Motivation etc. (27).
Einer der am häufigsten herangezogenen Erklärungsansätze birgt die sog. Serotoninhypothese, die von Newsholm und Blomstrand (37, 11, 35) entwicklet wurde. Weitere Überlegungen im Zusammenhang mit dieser Hypothese wurden von Hollmann (20) in die deutsche Sportmedizin eingebracht.
Der Ansatz geht von der Tatsache aus, dass die Serotoninmenge im Gehirn von dem intrazerebralen Tryptophanangebot abhängt. Im Kreislauf kommt Tryptophan sowohl an Albumin gebunden (in Konkurrenz z.B. mit freien Fettsäuren), als auch in freier Form vor.
Längere Belastungen erhöhen den Gehalt an freien Fettsäuren, die wiederum aus Verdrängung am Albumin das freie Trypotophan signifikant ansteigen lassen. Hierdurch erhöht sich - im Wettbewerb mit um den Transportmechanismus mit den verzweigtkettigen Arminosäuren - die Wahrscheinlichkeit für Tryptophan einen Carrier zu finden und die Blut-Hirn-Schranke zu passieren.
So ins Gehirn gelangt, steht Tryptophan oder 5 Hydroxytryptamine (5HT) zur Umwandlung zu Serotonin zur Verfügung. Serotonin ist unter den monoaminergen Neurotransmitter am häufigsten vertreten und findet sich in vielen Hirngebieten wieder: z.B. in den Raphelschen Kernen, im Striatum, im limbischen System; aber auch Zwischen-, Kleinhirn und Hirnstammregionen sind mit serotonergen Bahnen durchzogen.
Die Veränderungen im Serotoningleichgewicht (21) haben erhebliche psychische und vegetative Auswirkungen auf Schlaf, Appetit, Stimmungslage, Schmerzempfinden, Koodinations- und Konzentrationsfähigkeit uvm.
Auch bei psychischen Erkrankungen sind häufig die monoaminergen Synapsen gestört (29). Es wird ein ermüdungsbedingter Serotoninüberschuss im Gehirn als Grund für eine nachlassende Motivation für möglich gehalten. Dies gilt auch und vor allem bei Übertrainingserscheinungen (36).
Die beschriebene Serotoninhypothese hat weit über 200 Veröffentlichungen nach sich gezogen, aber Zusammenhänge zum dopaminergen System noch nicht eindeutig beweisen können. Zusammenfassende Hinweise finden sich bei Hollmann et al.(21).
Ob und wie das dopaminerge System oder auch zentrale Neurotransmitter mit dem Aminosäurenprofil zusammenhängen, bleibt wohl Forschungsgegenstand der näheren Zukunft.
Möglicherweise reagieren Rezeptorsysteme des ZNS wie viele andere Rezeptorsysteme nach ausreichend langer Exposition mit dem Agonisten (spezifische Bindungspartner) mit einer Downregulation vermutet Weiß. Dies könnte besonders die Katecholaminrezeptoren betreffen. Dieses Rezeptorsystem ist in der Peripherie gut untersucht. Sollten sich diese Ergebnisse auf das Gehirn übertragen lassen, wäre sowohl eine Downregulation der postsynaptischen Rezeptoren durch hohe Mengen von Noradrenalin sowie Dopamin denkbar, als auch eine Hemmung der Neurotransmitterfreisetzung durch präsynaptische Alpha2-Rezeptoren.
Diese steuern die Dopamin- und Noradrenalinfreisetzung im Sinne einer reaktiven Rückkopplung.
Hinweise auf Änderungen der Trainingsbelastung mit Auswirkungen im dopaminergen System in der Peripherie könnten wie EEG-Forschungen zeigten, Wege zu einer neuen Trainingsdiagnostik zur Prävention wie im Hochleistungssport sein (4).
Unlängst gewonnene Daten deuten auf sehr enge Zusammenhänge zwischen zentral-nervösen Vorgängen und dem Aminosäurenstoffwechsel hin.
Weitere interessante Aspekte ergeben sich nach Aussagen von Weiß aus der Verknüpfung zum antioxidativen System, das wiederum die Wege eröffnet zur Erforschung neuer Pathomechanismen z.B. des Alterns und der Arteriosklerose.