Wahrscheinlich ist der Ausdruck Stress umgangssprachlich einer der meist überbeanspruchten Ausdrücke für Belastungen und darüber hinaus negativ gefärbt.
Selye hat den Stressbegriff um das Jahr 1950 in die Biologie eingeführt. Hier steht er für Belastung und Anstrengung. Selye unterscheidet drei Reaktionsstadien des Stresses (58):
Laut Zimbardo ist Stress ein Muster spezifischer und unspezifischer Reaktionen eines Organismus auf Reizereignisse, die sein Gleichgewicht stören und seine Fähigkeit zur Bewältigung strapazieren oder überfordern (65).
Diese Reizereignisse umfassen eine ganze Bandbreite externer und interner Bedingungen, die allesamt als Stressoren bezeichnet werden. Ein Stressor ist ein Reizereignis, das vom Organismus eine adaptive Reaktion verlangt.
Die Stressreaktionen des Körpers sind etwas "Natürliches", "zu uns Gehöriges". Sie sind ein evolutionär gewachsener Schutzmechanismus gegenüber Gefahren, dessen ursprüngliches Handlungsmuster (Kampf oder Flucht) heutzutage jedoch selten Bedeutung zukommt.
Stress kann sowohl positiv, als auch negativ wirken.
Bei positiv bewerteten Stresssituationen sprechen wir von Eustress. (eu, griech.=gut). Eustress gibt uns die Möglichkeit geistige und körperliche (Höchst-)Leistung zu erbringen. Sportliche Aktivität zählt z.B. zu einem positiven Stressor, der die Gesundheit nicht belastet.
Bei negativ bewerteten Stresssituationen sprechen wir von Distress (dys, griech.=schlecht). Die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrindenachse wird in kurzer Zeit wiederholt oder chronisch aktiviert. In diesem Fall kann der Stress nicht vom Körper bewältigt werden (6).
Die Verarbeitung von Stresssituationen ist mit den individuellen körperlichen und psychischen Reaktionen eng verbunden und beruht auf unserem subjektiven Belastungsempfinden. "Situationen sind streßvoll, wenn der Körper sie als unvorhersagbar und unkontrollierbar ansieht." (58). |
Mechanismen des Stresses
Als erste Reaktion auf Stress erfolgt die Aktivierung des sympathischen Systems (first defense reaction). Die weitere Verarbeitung des Stresses erfolgt durch die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse (HPA-Achse). Wie dieser Mechanismus abläuft soll im Folgenden erläutert werden.
Der Kortex ist für die Wahrnehmung von Stress verantwortlich. Die eingehenden Informationen werden von Neuronennetzwerken interpretiert. Sobald die Gewichtung des Reizes ermittelt ist, aktiviert der Kortex das Limbische System . Dieses ist verantwortlich für Emotionen sowie die Steuerung des Autonomen NS .
Gelingt es dem Gehirn nicht, die eingehenden Informationen aufgrund ihrer Fülle (Summation einzelner Reize) oder ihrer Intensität zu verarbeiten, so reagiert es mit Verwirrung und Ratlosigkeit. Dies gipfelt schließlich im Stress (26).
So kommt es zu einer Aktivierung zahlreicher physischer Funktionen: Beschleunigung des Herzschlags, Steigerung der Atmung sowie eine erhöhte Hormonausschüttung von Adrenalin und Noradrenalin.
Zur gleichen Zeit tritt der Hypothalamus in Aktion. Er spielt eine zentrale Rolle bei der Stressreaktion auf zentralnervöser Ebene. Der speziell für Stress zuständige Hypothalamuskern ist der Nucleus paraventricularis. Er schüttet bei einem Stressreiz das Corticotropin-Releasing-Hormon (CRH) aus. Das CRH gelangt in die benachbarte Hypophyse und veranlasst hier, dass das Adreno-Cortico-Tropin Hormon (ACTH) in den Blutkreislauf abgegeben wird. ACTH verursacht die Ausschüttung weiterer Hormone, sog. Corticosteroide (z.B. Kortisol). Sobald die Nebennierenrinde vermehrt ACTH empfängt, setzt sie das Hormon Kortisol frei (58, 6).
Die Ausschüttung von CHR aus dem Hypothalamus und ACTH aus der Hypophyse bedeutet immer, dass Kortisol aus der Nebennierenrinde freigesetzt wird. Das Kortisol wirkt seinerseits auf Hypothalamus und Hypophyse zurück und hemmt die Ausschüttung von CHR und ACTH. Nimmt deren Ausschüttung ab, verringert sich auch die Freisetzung von Kortisol (58). Somit kann Kortisol seine eigene Blutkonzentration feinregulieren (22).
"Erhöhte Kortisolspiegel erniedrigen die Erregbarkeitsschwelle." (9)
Wirkt der gleiche Stressor über eine längere Zeit ein, so kommt es zu einer schwächeren Antwort der HPA-Achse, d.h. sie habituiert sich. (58). Somit ermöglicht das Kortisol unserem Körper auf Stresssituationen zu reagieren und sie zu kompensieren (22).
Wenn sich der tägliche "Normalstress" allerdings stark potenziert, kann es zu einer erhöhten Kortisolproduktion kommen. Dies schädigt die Rezeptoren im Hippocampus , die normalerweise den Feedback-Mechanismus in Richtung Hypothalamus steuern. Nach Fortfall dieser Bremse steigen das CRH und das ACTH weiter an, wodurch erneut Kortisol mobilisiert wird. Dies hat einen negativen Einfluss auf die Funktion der Hirnzellen und Neurone im Hippocampus. Folge sind erhebliche Leistungsstörungen im Sinne von einer vorzeitigen Alterung oder Krankheiten (60).
Stress und Sport
Durch körperliche Aktivität lernt der Körper unter Stress weniger Stresshormone auszuschütten, sie besser zu verarbeiten und Schutzfaktoren gegen Stress aufzubauen.
"Ausdauerndes, regelmäßiges sportliches Training stärkt nicht nur die physiologischen Abwehrkräfte, sondern auch die psychologischen Resistenzfaktoren." (60)
Die Auswirkungen der in Stresssituationen ausgeschütteten Hormone (z.B. Adrenalin oder Kortisol) können mit Hilfe von Sport wieder abgebaut werden.
Freigesetzte Glukose und Fettsäuren werden "abgearbeitet"; ein erhöhter Puls und Blutdruck werden jetzt z.B. sinnvoll. Sport kann somit eine Menge an Distress kompensieren.
Es ist allerdings zu beachten, dass in jeder Sportart auch Stress erzeugt werden kann. Sowohl im Breiten- als auch im Leistungssport triffen Sportler und Sportlerinnen auf die Situation, ihre Leistung unter Druck erbringen zu müssen (Hier spielen persönliche Ziele und Werte eine entscheidende Rolle). Die Frage, ob dieser Druck als Belastung und somit als Stress empfunden wird, hängt von den individuellen Fähigkeiten zur Bewältigung ab.
Ferner werden durch zu intensive und rasch aufeinander folgende Belastungen Stresshormone ausgeschüttet. Daraufhin erzeugt die Nebennierenrinde zu viel Kortisol. Dies stört die Produktion von Interleukinen . Die Abwehrfunktionen des Organismus nehmen ab. Die Immunabwehr ist mit der Aufarbeitung der durch die körperliche Belastung entstandenen Abfallstoffe derart überlastet, dass eindringende Krankheitskeime (z.B. Erkältungsviren) nicht ausreichend bekämpft werden können. So kann durch ein "Zu viel des Guten" das Risiko für bspw. einen Infekt erhöht werden (58).